Der Verbrauch von Wasserstoff in Deutschland ist enorm. Etwa 20 Milliarden Normalkubikmeter Wasserstoff werden jährlich erzeugt. Weltweit sind es sogar 500 Milliarden Normalkubikmeter. Hergestellt wird er meist durch Dampfreformierung mit Erdgas, was Kohlenstoffdioxid mit seinen bekannten Folgen freisetzt.

Grüner Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus der Spaltung von Wasser durch Strom entsteht, hat mit fünf Prozent nur einen kleinen Marktanteil.

Eine der größten industriellen Wasserstoffnutzer sind Raffinerien, die ihn zur Entschwefelung von Benzin und Diesel benötigten. Einige Tonnen pro Stunde werden allein bei BP in jeder Raffinerie eingesetzt.

Jetzt hat der britische Mineralölkonzern es mit der ökologischen Alternative versucht. 130.000 Kubikmeter des klimaneutralen Wasserstoffs wurden in der Raffinerie in Lingen eingesetzt, was im einstelligen Prozentbereich der benötigten Mengen liegt. Das ist erstmal nur ein sehr geringer Anteil.

„Es gibt aber deutliches Potenzial nach oben“, sagt BP-Sprecher Marc Schulte. Immerhin ist Lingen damit die weltweit erste Raffinerie, die grünen Wasserstoff zur Herstellung von Kraftstoffen einsetzte.

Zu teuer für die dauerhafte Nutzung bei BP

Die Aktion war erstmal nur von kurzer Dauer: Nach einem 30-tägigen Demonstrationsprojekt, in dem geklärt werden sollte, ob der Einsatz erneuerbarer Komponenten in einer Erdölraffinerie überhaupt funktioniert, war erstmal wieder Schluss.

Das Ergebnis stimmt immerhin positiv. „Wir haben mit dem grünen Wasserstoff sehr gute Erfahrungen gemacht“, so der BP-Sprecher, denn dieser sei problemlos in den Anlagen verarbeitet worden.

Ausgebaut wird der Einsatz für Öko-Wasserstoff allerdings im Moment nicht, da es nicht wirtschaftlich sei. „Ohne Anrechnung auf die Treibhausgasminderungs-Quote ist der grüne Wasserstoff doppelt bis viermal so teuer wie derjenige, der herkömmlich über eine Dampfreformierung erzeugt wurde“, erklärt Schulte den Knackpunkt. „Die politischen Rahmenbedingungen müssen stimmen, um eine solche Anlage wirtschaftlich betreiben zu können.“

Dabei geht es BP nicht alleine um die Anrechnung des grünen Wasserstoffs auf die ehemalige Biokraftstoffquote, die 2015 durch die Treibhausgasminderungsquote ersetzt wurde, sondern auch darum, dass der grüne Strom von Abgaben wie die EEG-Umlage befreit wird.

Auch bei der Treibhausgasminderungsquote kann man sich die Nutzung von Biokraftstoffen anrechnen lassen. Geregelt wird das im Renewable Energy Directive (RED II). Bereits im Sommer haben sich das europäische Parlament und der europäische Rat auf eine Anrechnung des Einsatzes von Wasserstoff geeinigt. Jetzt muss sie aber noch in nationales Recht umgesetzt werden. Genau darauf wartet BP. Denn dann könnte der grüne Wasserstoff wirtschaftlich nutzbar und damit Grundlage für eine eigene Power-to-Gas-Anlage am Standort Lingen sein, wo jährlich rund fünf Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet werden.

Audi macht synthetisches Methan aus grünem Wasserstoff

Das flüchtige Gas für den Test bei BP lieferte übrigens Audi. Das Unternehmen stellt bereits seit 2013 im norddeutschen Werlte Öko-Wasserstoff her. Dieser soll irgendwann Audis künftiges Brennstoffzellenauto antreiben, das allerdings noch auf sich warten lässt. Der Autohersteller aus Ingolstadt hat für 2020 eine erste Kleinserie mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen angekündigt. Bis dahin wird der Wasserstoff erstmal genutzt, um Methan zu erzeugen. Dafür versetzt Audi den Wasserstoff mit CO2 aus einer Biogasanlage, die nicht aus Energiepflanzen, sondern aus organischen Abfällen gespeist wird. In der Methanisierungsanlage entsteht daraus synthetisches Erdgas, das im Tank des Audi A3 g-tron oder im Gasnetz landet.

Nach Angaben von Audi ist es die weltweit erste Anlage im industriellen Maßstab, die aus CO2 und erneuerbarem Strom einspeisefähiges, synthetisches Erdgas generiert. Außerdem wird ausschließlich überschüssiger Wind- oder Solarstrom eingesetzt, der ansonsten ungenutzt bleiben würde. Pro Jahr produziert die Audi e-gas-Anlage etwa 1000 Tonnen Gas und bindet dabei zirka 2800 Tonnen CO2. Das entspricht etwa der Menge, die ein Wald mit über 220.000 Buchen im Jahr aufnimmt.

Shell baut weltweit größte PEM-Wasserstoff-Elektrolyse-Anlage

Der Energiekonzern Shell hat im Gegensatz zum Konkurrenten BP Pläne, grünen Wasserstoff auch dauerhaft in seinen Raffinerien zu nutzen. Das niederländische Unternehmen baut zusammen mit ITM Power am Raffinerie-Standort Wesseling in Nordrhein-Westfalen einen Elektrolyseur mit einer Leistung von zehn Megawatt (MW). Unter dem Namen „Refhyne“ soll die bisher weltweit größte PEM-Wasserstoff-Elektrolyse-Anlage 2020 in Betrieb gehen. Damit wollen die Kooperationspartner zeigen, dass die PEM-Technologie für industrielle Großanwendungen reif ist. Wie Shell die Anlage wirtschaftlich betreiben will, verrät der Konzern nicht.

Trotz der im Moment noch gigantisch anmutenden Zehn-MW-Anlage, ist der Anteil des Wasserstoffs am Gesamtbedarf eher gering. Rund 180.000 Tonnen Wasserstoff benötigt die Raffinerie jährlich für die Entschwefelung konventioneller Kraftstoffe – nur vier Tonnen pro Tag kommen in Zukunft aus der Elektrolyse. „Wenn die zurzeit größte PEM-Elektrolyse der Welt nur rund ein Prozent des benötigten Wasserstoffs einer Raffinerie herstellt, zeigt dies die Größe der Aufgabe, die wir mit der Energiewende angehen. Umso wichtiger, dass wir dies nun vorantreiben“, so Shell-Sprecher Jan Zeese.

Test für neue Geschäftsmodelle

Dafür sind immerhin Investitionen von rund 20 Millionen Euro notwendig. Die werden allerdings aus dem EU-Topf „Fuel Cell Hydrogen Joint Undertaking“ mit zehn Millionen Euro gefördert. Läuft alles wie geplant, gibt es bereits Überlegungen, die Technologie zu erweitern und in anderen Produktionsstätten einzusetzen. „Wir könnten dann auch Wasserstoff an Kunden außerhalb der Raffinerie liefern“, so die Idee von Thomas Zengerly, Direktor der Shell Rheinland Raffinerie.

Ziel der Anlage ist nicht nur, CO2-Emissionen zu reduzieren. „Wir wollen vielmehr die Einbindung einer H2-Elektrolyse in eine Raffinerieanlage erlernen, Erfahrungen mit dieser Technologie sammeln und neue Geschäftsmodelle entwickeln“, sagt Jan Zeese. Die Anlage sei daher bewusst so angelegt, dass sie bei Erfolg skalierbar erweitert werden könne.

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1 Kommentar

  1. Reinhard Schultz

    Sehr interessant!

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