Auf der Suche nach Ersatz für fossile Rohstoffe zapfen Forscher auch ungewöhnliche Quellen an. An der Stuttgarter Uni Hohenheim hat ein Team von Wissenschaftlerinnen vermutlich den Vogel abgeschossen: Die Wissenschaftlerinnen um Andrea Kruse bauen besonders leistungsfähigen Energiespeicher aus Gülleresten, die nach der Stromerzeugung in Biogasanlagen übrig bleiben. Diese Superkondensatoren könnten in künftigen Elektroautos eine entscheidende Rolle spielen.

Kruse und ihre Kolleginnen Catalina Rodriguez und Viola Hoffmann verwenden Gär- und andere Reste aus Biomasse als Ausgangsprodukte. Die sind reich an Kohlen- und Stickstoff, aber auch an Lignin. Damit bauen die Forscherinnen graphitähnliche Kohlenstoffe auf, aus denen Superkondensatoren zum großen Teil bestehen.

Bislang werden diese Kohlenstoff-Leiter in fossiler Form aus der Erde geholt, sie gelten aber als seltene Rohstoffe. Mit steigender Nachfrage dürfte das für die Branche zum echten Problem werden. Sie muss für die Zukunftstechnologie einen nachhaltigen Ersatz vorweisen. Der entsteht in den Laboren von Hohenheim.

Kurzzeitiges Speichern per Supercap

Bei den auch Supercaps genannten Kondensatoren handelt es sich um hochleistungsfähige Energiespeicher. Anders als Batterien arbeiten sie nicht nur chemisch, sie können deshalb in wenigen Sekunden Energie aufnehmen und wieder abgeben.

„Supercaps sind ideal für die kurzzeitige Aufnahme von Energie, um dem Fahrzeug einen Schub zu geben“, erklärt Umweltingenieurin Hoffmann. Als Ergänzung einer Lithium-Ionen-Batterie sind sie damit besonders geeignet. Der Akku liefert dem Auto den Grundstrom, die Supercaps schalten sich bei großer Anforderung hinzu.

Beim Bremsen oder Bergabfahrten laden sie sich durch Rekuperation blitzschnell wieder auf. Zwar ist ihre Energiedichte geringer, die Leistungsdichte allerdings sehr viel höher als die von Batterien. Schwere Verkehrsmittel wie Eisenbahnen nutzen deshalb schon heute Kondensatoren zur Start-Beschleunigung.

Im E-Auto hingegen werden die Speicher bislang selten kombiniert. Im sehr kleinen Maßstab bauen Peugeot und Mazda Supercaps in manche Modelle ein. Tesla-Chef Elon Musk hat sie schon vor Jahren als Speicher der Zukunft gelobt. Analysten erwarten ebenfalls eine kräftig steigende Nachfrage. Damit wird auch der Bedarf nach Alternativen zu fossilen Graphit-Elektroden steigen.

„Das Interesse der Industrie an unserer Alternative zu fossilen Supercaps ist bislang gering“, stellt Andrea Kruse allerdings derzeit fest. Diese seien schließlich in frühestens acht Jahren serienreif. „Die Autohersteller brauchen aber Lösungen schon für das nächste Jahr“, sagt die Forscherin.

Dabei kann die Erfindung aus Hohenheim mit riesigen Vorteilen aufwarten. „Unsere Kreation ist besser als fossile Graphite“, sagt Hoffmann, denn die Forscherinnen bauen sich die Carbon-Leiter nach ganz speziellen Anforderungen anders als vorhandene fossile Graphite.

Kohlenstoff ist sehr wandlungsfähig. Er lässt sich in unzählige Variationen bringen, jeweils genau für den speziellen Anwendungsfall. Neben dieser höheren Effizienz ist der größte Vorteil der Hohenheimer Entwicklung aber ihre nachhaltige Gewinnung.

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